August 2023

Römische Puppe

Nachbildung aus Epoxidharz - Gemisch
Originalmaterial: Elfenbein
Datierung: Mitte 2. Jh. n. Chr.
Grabfund im Jahr 1889, bei Bauarbeiten für den Justizpalast in Rom

 

Das Spielzeug wurde zusammen mit seiner Besitzerin bestattet und lag auf ihrer linken Schulter.
Der Name der bestatteten Frau wurde auf den Sarkophag eingraviert:
Crepereia Tryphaena.
Sie wurde etwa 17 bis 20 Jahre alt.

 

Die Puppe ist handwerklich hervorragend mit detaillierten Händen und Füßen gestaltet. Die Frisur ist dem Haarstil nachempfunden, den Faustina die Jüngere, Ehefrau von Kaiser Marcus Aurelius, ab 150 n. Chr. populär machte. Das Original der Puppe besaß eigenen kleinen Goldschmuck an Fingern und Handgelenken und auch ein Kleid könnte sie getragen haben, welches aber nicht erhalten blieb. Das dargestellte Kleid entspricht der römischen Frauentracht.

 

Die junge Tryphaena war verlobt und stand wohl kurz vor Ihrer Hochzeit, wie andere Beigaben – u.a. ein Verlobungsring – andeuten. Es gab eine Sitte, nach der junge Frauen am Tag ihrer Hochzeit der Göttin Venus ihre Puppen als Opfergabe darbieten. Da Tryphaena diesen Tag wohl nie erlebte, wurde die Puppe mit ihr bestattet.




Kurzgeschiche - Die Puppe der Tryphaena

Lucius Crepereius Euhodus lächelte glücklich vor sich hin, als er nach Hause ging. Sein ehemaliger Herr hatte ihm geholfen, ein besonderes Geschenk zu besorgen und ihm sogar gestattet es nach und nach abzubezahlen. Das war für einen ehemaligen Sklaven ungewöhnlich. Sein Herr hatte großes Vertrauen in ihn.

Euhodus öffnete die Tür zu seiner Wohnung und kaum hatte er seinen Fuß in die Tür gesetzt, wurde er mit einem lauten Freudenschrei begrüßt. Seine sechs Jahre alte Tochter Tryphaena umschlang seine Beine und ließ ihn nicht los, bis er sie endlich auf den Arm nahm. So machte sie es jeden Abend, wenn er von seiner Arbeit wiederkam.

„Warst du heute lieb?“, fragte er mit gespielt ernstem Blick, während er sie auf einen Hocker setzte. Tryphaena nickte eifrig.

 

Er zog aus seiner ledernen Umhängetasche ein in Leinen eingepacktes Pächkchen hervor. „Proculus half mir, dies für dich zu besorgen. Halte es also in Ehren! Aber vor allem hab Spaß daran!“ Sein Lächeln wurde breiter, als er das Leinen zur Seite schlug und das Geschenk zum Vorschein kam.

Es war eine Puppe aus Elfenbein, gekleidet nach der neusten Mode am kaiserlichen Hof.

 

Mit großen Augen nahm Tryphaena die Puppe aus den Händen ihres Vaters bevor sie sich herzlich bedankte und ihn umarmte. Fasziniert untersuchte sie die beweglichen Arme und Beine. Doch schon bald nahm sie die Puppe mit in ihre Schlafecke, dort warteten bereits zwei Stoffpuppen auf ihre neue Freundin.

 

Jedes Jahr brachte Euhodus neue Kleider oder Schmuck für die Puppe mit, und immer war Tryphaena begeistert.

 

Die kleine Puppe wachte gewissenhafte über Tryphaena und wurde stets gut gepflegt. Sogar als aus dem kleinen Mädchen eine junge Frau geworden war, die kurz vor Ihrer Hochzeit stand, saß die Puppe wachsam neben ihrem Bett.

 

Doch dann passierte etwas Schreckliches und Euhodus Herz war schwer: Nur wenige Wochen vor ihrer Hochzeit musste er seine geliebte Tochter bestatten. In seiner Hand hielt er die Puppe in ihrem feinsten Gewand. Ihr Verlobter Philetus stand mit gleichermaßen trauerndem Blick neben ihm.

„Deine treue Freundin soll dir auch im Jenseits immer zur Seite stehen meine geliebte Tochter!“, sagte er, als er die Puppe mit in den Sarkophag legte.

 

Einige Jahre später wurde auch der Vater neben seiner Tochter zur Ruhe gebettet.